Bildungspotentiale im Anime

Manga

Der Anime hat eine lange filmische Tradition und ist eng mit dem Manga verwoben. Der Manga selbst hat eine lange Kulturtradition, welche bis in das 6. Jahrhundert zurückreicht und seinen Ursprung in der Karikatur hat (dem sogenannten „fūshi-e“) (vgl. Ito 2008, 26). Die Betrachtung des Mangas, welche ich hier nur anreißen werde, ist deswegen relevant, da der Manga den Ursprung von über 90 Prozent der Animes ausmacht (vgl. MacWilliams 2008, 6). Angesichts der Geschichte des Mangas konstatiert Ito daher folgendermaßen

„Mangas, or Japanese comics, have traditionally been significant part of Japanese popular culture. However, Japanese comics do not exist in a vakuum; they are closely connected to Japanese history and culture, including such areas as politics, economy, family, religion, and gender“ (Ito 2008, 26). 

Insofern bildet der Manga auch den Verweis zu einer langen Kulturtradition, welche sich auch im Anime finden lässt. Der Moderne Manga, welcher sich vor allem durch narrative Elemente wie Sprechblasen und mehreren Panels auszeichnet, wurde im frühen 20. Jahrhundert unter dem Einfluss des amerikanischen Comics etabliert und war anfangs als Satire konzipiert (vgl. Ito 2008, 32). Hinsichtlich der Bedeutung des Mangas für den Anime stellt Maureen Furniss mit Blick auf Charakteradaptionen fest:

„Today, the practice of adapting cartoon concepts into animated works thrives in Japan, where the comic book industry is a hugely profitable enterprise. In the early 1960s, the successful Japanese comic book artist Osamu Tezuka moved into an animation career by crafting adaptations of his popular comic books for television […]. Other Japanese comic book artists have continued to produce successful animated works (known as anime) based on their print series (known as manga)“ (Furniss 1998, 67; Herv. i. Orig.).

Anime

Nachdem ich nun die historische Verwobenheit zwischen Manga und Anime kurz dargestellt habe, möchte ich mich im Folgenden auf den Anime an sich konzentrieren. Bei der Frage, was denn der Anime sei, sind die Definitionen knapp gehalten. Grundsätzlich bezeichnet der Begriff „Anime“ Animationsfilme, welche aus Japan stammen. In Japan selbst steht der Begriff (noch allgemeiner) für jegliche Animationsfilme (vgl. Poitras 2008, 48). Um den Begriff des „Anime“ zu schärfen, lohnt es sich dessen Geschichte kurz zu rekonstruieren.

Der japanische Animationsfilm hat seine Wurzeln im frühen 20. Jahrhundert. Anfangs handelte es sich dabei um den damals in Japan populären „chiyogami-eiga“, einer Form, welche durch ausgeschnittene Figuren realisiert wurde. Erst ab 1929 gab es Animationsfilme, welche auf Cels gezeichnet und vor allem durch die Animationsfilme von Disney beeinflusst wurden (vgl. Richie 2005, 252).

Im Zuge der Zuspitzung des japanischen Nationalismus und der Spannungen mit den USA, die im Krieg mündeten, wurde der Anime bis 1945 zum Insrtument japanischer Kriegspropaganda. Am Ende des Kriegs 1945 schließlich entstand der erste „feature“-Film „Momotaro umi no shinpei“, welcher den bis dahin vorläufigen Höhepunkt der Entwicklung des Anime darstellte (vgl. Poitras 2008, 49).
Der frühe Anime. Der visuelle Stil ist sehr an Disneys Mickey Mouse Cartoons angelehnt, weist jedoch eine Vielzahl japanischer Symboliken bzw. Figuren auf.
Der erste Anime in Spielfilmlänge aus dem Jahr 1945. Hinsichtlich des Stils und der Qualität der Animationen, lässt sich dieser Anime eindeutig als solcher erkennen.
Erst 1958, mit dem Beginn des japanischen Wirtschaftswunders, erschien der zweite längere Animefilm (vgl. Poitras 2008, 50). Darauf folgend kam es in den 60er Jahren durch Manga-Adaptionen wie „Astro Boy“ oder „Gigantor“ zu einer Ausdifferenzierung verschiedener Genre bzw. Grundthemen, welche sich beispielsweise auf riesige Roboter (z.B. Gigantor), der Grenze zwischen Mensch und Technik (z.B. Astro Boy), zaubernde Mädchen (mahō shōjo), übernatürliche und historische Geschichten beziehen (vgl. Poitras 2008, 50f). 

In den 70ern und 80ern setzte eine weitestgehende Kommerzialisierung des Animes ein. Neben dem eigentlichen Anime wurden auch Spielfiguren und andere Artikel verkauft. Interessant ist hierbei, dass diese Verkaufszahlen als Indikator für den Erfolg einer Serie gewertet wurden. So kam es durchaus vor, dass technisch gute Serien, wegen zu geringer Spielzeugverkäufe eingestellt wurden (vgl. Poitras 2008, 51f). Daneben erfuhr der Anime auch eine Reifung hinsichtlich älterer Zielgruppen. So wurden Serien konzipiert, welche beispielsweise sexuell freizügiger waren (vgl. Poitras 2008, 52). Daneben erreichte der Anime in den späten 80ern hinsichtlich der Qualität der Animationen aber auch mit Blick auf die Komplexität der Storys ein hohes Niveau welches bis heute maßgeblich sei (vgl. Poitras 2008, 54). 

Überraschend ist in diesem Zusammenhang die Produktionsweise des Animes. Hinsichtlich der technischen Unterschiede zwischen westlichen und japanischen Animationsfilmen stellt Donald Richie fest, dass der Anime nur mit acht Bildern pro Sekunde produziert würde, während westliche Produktionen zwölf Bilder als Standard haben:

„Until computer animation became a possibility, Japanese cellular animation limited itself to eight frames a second. The Western standard was and remains twelve frames a second. […] The result is that American and European animation appeared slightly more lifelike. Jerky Japanese animation of this period is called ‚limited animation‘ and indeed it is“ (Richie 2005, 253).

Limited Animation. In dieser Beispielsequenz aus der Serie "Sailor Moon" (00:01:45-00:02:30) lassen sich die spärlichen Animationen klar erkennen. Die Bewegungen der Münder wirken hierbei zunächst minimalistisch. Starke Emotionen (wie das panische Aufwachen) werden kurz und übertrieben dargestellt. Die Bewegungen bekommen durch den Einsatz von cycling (z.B. Füße, die die Treppenstufen runterrennen) und wenigen Animationsschritten eine eigene visuelle Sprache, welche sich von modernen westlichen Animationen, welche flüssiger wirken, deutlich abhebt.
Insofern ist der Anime eine wirtschaftlich günstige Produktionsform. 

Nach diesem kurzen geschichtlichen Abriss, möchte ich im Folgenden die Relevanz und die Besonderheiten des Forschungsfelds „Anime“ herausarbeiten.

Picture
Startseite
Picture
nach oben
Picture
Nächste Seite